Kinder sind von Natur aus neugierig und tolerant, weil sie nicht werten. Das beobachtet Leiterin Katrin Hammer jeden Tag voller Bewunderung. Unter anderem durch äußere Einflüsse drohen diese Eigenschaften verloren zu gehen. Wie Kindergartenhund Dorle, tiergestützte Pädagogik und vor allem Ehrlichkeit zu mehr Toleranz beitragen können, erklärt die DIE KITA am heutigen „Internationalen Tag der Toleranz“.
„War das Mädchen da zu lange in der Sonne oder ist sie immer so?“ Ihre Mutter erschrickt: „Psst…“, ist ihre erste Reaktion. Ihre Tochter ist wieder mal neugierig, interessiert und wissbegierig. Zu neugierig? „Nein, hier beginnt Toleranz, wofür es Ehrlichkeit braucht“, weiß Katrin Hammer, Leiterin des DIE KITA Kindergartens Auferstehungskirche. In der Einrichtung werden auch viele Kinder mit besonderen Bedürfnissen und Migrationshintergrund betreut und begleitet. Doch selbst diese Beschreibungen und Kategorien sind für die Mädchen und Jungen selbst nicht wichtig. Mustafa* ist eben dunkel im Gesicht. Lena* hinkt beim Laufen. „Das gehört zu den beiden dazu.“ Bis zu diesem einfachen Annehmen sei der Weg nicht lang gewesen, dafür voller Ehrlichkeit. „Geht das auch ab?“, wurde Mustafa* einmal gefragt. „Darf ich mal dein Bein sehen?“ Lena* hat allen ihre Narbe am Knöchel gezeigt.
Kinder stellen Fragen
Katrin Hammer erklärt: Kleine Kinder seien zunächst einmal auf ihre eigenen Bedürfnisse fokussiert. „Während ihrer Entwicklung werden andere Menschen zunehmend interessanter, sie selbst neugieriger. Dazu gehört es auch, Fragen stellen zu dürfen, wenn einem Kind etwas auffällt: ob das nun ein Gegenstand, ein Verhalten oder eine Äußerlichkeit ist.“ Im Kindergarten Auferstehungskirche finden daher viele solcher gemeinsamen, sensiblen Gespräche statt.
Informieren ohne „Schubladen-Denken“
„Das Beste daran ist nämlich: Kleinere Kinder werten noch nicht. Sie bemerken die Andersartigkeit im Vergleich zu sich selbst, schaffen aber keine Schubladen mit >>richtig<< und >>falsch<<.“ Dieser Beurteilung begegnen sie in ihrem jungen Leben aber zunehmend mehr – durch Vorbilder, andere Kinder oder Medien. Fiktion ersetze dabei eigene Lebenserfahrung, so Katrin Hammer. Der Kontakt zu Menschen und Situationen, die sich von unseren eigenen Lebenserfahrungen unterscheiden, sowie traurigen Ereignissen werde auf ein Minimum reduziert. Dabei stärke gerade die Auseinandersetzung damit die Bildung der eigenen Identität inklusive Eigenschaften wie hilfsbereit und tolerant sein.
So nehmen auch Kinder nicht-christlicher Religionsgemeinschaften an Festen im christlichen Jahreskreislauf wie dem St. Martins-Umzug teil. Umgekehrt bereichern sie die gedankliche Welt der anderen Kinder durch Erzählungen über ihre eigenen Traditionen.
Kindergartenhund Dorle nimmt jedes Kind an
Vor allem auch durch Kindergartenhund Dorle ist „Toleranz“ immer wieder Thema im Alltag. „Der Hund nimmt die Kinder an, wie sie sind: ob stürmisch, ob zurückhaltend, Kinder aller Hautfarben, Behinderungen und Sprachen“, beobachtet Katrin Hammer. Seit 2017 stärkt Dorle auf diese Weise das Selbstbewusstsein und das Selbstwertgefühl der Kinder. Gleichzeitig bietet die Beschäftigung mit dem Tier Kindern, die Schwierigkeiten haben, mit anderen in Beziehung zu treten, spontane Gesprächsanlässe. In jedem Kontakt entwickeln sich die Kinder weiter, erzählt die Leiterin. „Sie erhalten ein Bewusstsein dafür, dass jeder Hund anders ist und wie sie die Körpersprache des Hundes richtig deuten: Braucht er nun eine Pause? Oder möchte er einen Trick zeigen?“ Katrin Hammer beobachtet hierbei parallele Effekte: Kinder, die im Kontakt mit Dorle eigene Grenzen überwinden, werden auch im Kontakt mit anderen Kindern oft offener. Immer wieder sei sie selbst im Alltag erstaunt, wie tolerant die Kinder in der Einrichtung sein können: Ein unabsichtlich heruntergeworfenes Bügelperlen-Bild sorgt nur für wenige Minuten für Enttäuschung, anschließend sitzen die beiden Beteiligten gemeinsam über einem neuen Kunstwerk. Und nachdem Sonja* nach dem ersten Kennenlernen vorsichtshalber mal die Haut des dunkelhäutigen Jungen gegenüber berührt hatte, zeigt sie Mustafa* schon alle Ecken des Kindergartens. So soll es weitergehen.
„Wir haben in unserer Kindheit auch Brillenschlange und solche Dinge gesagt“, gibt Katrin Hammer zu. „Heute wissen wir es besser, wie vielfältig diese Gesellschaft ist, dass niemand vergessen werden darf und wir selbst dafür verantwortlich sind. Das wollen wir im Kindergarten Auferstehungskirche auch weiter vermitteln – als evangelische Kindertagesstätte und jede Fachkraft persönlich.“ Diesen Leitgedanken teilen alle Kindertagesstätten der DIE KITA.
Weitere Informationen unter die-kita.de
*Namen geändert
Am 16. November ist der internationaler Tag der Toleranz.
Seit 1995 feiern dieses Datum 185 Mitgliedsstaaten der UNESCO, die mit diesem Aktionstag die Notwendigkeit von Toleranz für den weltweiten Frieden und die wirtschaftliche bzw. soziale Entwicklung der Völker betonen.